Geschichte Haus Früchting
1929 - heute
Seit 1966 ist Haus Früchting Wohn- und Pflegeheim für geistig behinderte Männer und seit 1989 auch für Frauen. Doch die Geschichte des „Haus Früchting“ reicht noch weiter zurück.
Bauer und „Öhm“ oder „Ohme“ Hermann Anton Früchting vermacht seinen gesamten landwirtschaftlichen Besitz an den bischöflichen Stuhl Münster, mit der Auflage auf diesem Anwesen ein Kloster zu errichten.
1927
1929
Das neu gebaute „Herz-Jesu-Kloster“ wird eingeweiht und der Kongregation der „Brüder von der christlichen Liebe“, der heutigen Brüdergemeinschaft der Canisianer, überlassen. Für die Brüdergemeinschaft ist das Kloster Generalat und Noviziat (Sitz der Leitung) des Ordens und Ausbildungsstätte für junge Ordensangehörige.
Daneben wurde die Landwirtschaft weiter betrieben.
Die Weltwirtschaftskrise macht auch vor Vreden nicht halt. Täglich bitten rund 30 Personen beim Kloster um Speise und Trank oder sonst eine milde Gabe.
1932
1939 - 1943
Im September 1939 wurde das Kloster für einige Monate in ein Lazarett verwandelt. Ärzte und Sanitäter richteten 60 Betten im Kloster ein.
1940 wurden Soldaten in das Kloster einquartiert. Zunächst Truppen für den Westfeldzug, später als Verstärkungen für den Grenzschutz.
1941 wurden vorübergehend weitere Räume durch ältere Klemensschwestern aus Münster belegt, deren Mutterhaus wegen Fliegergefahr geräumt werden musste. Und schließlich zog die Zollbehörde ein
1946/1947
Im Winter 1946/1947 hat Alfred Müller-Armack den Begriff Soziale Marktwirtschaft erfunden. Er eilt aus seinem Arbeitszimmer in der zweiten Etage des Herz-Jesu-Klosters. Der Mittvierziger läuft die Treppe hinab. "Nun weiß ich, wie es heißen muss", ruft der Professor. "Soziale Marktwirtschaft muss es heißen! Sozial mit großem S!" So hat es die Brüdergemeinschaft überliefert.
In der Abgeschiedenheit von Vreden entwickelte Professor Müller-Armack die theoretische Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft, die bis heute die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich prägt.
Die Forschungsstelle blieb noch weitere vier Jahre bis 1949 in Ellewick.
Da durch den Auszug eines Teils der Mitarbeiter der Forschungsstelle wieder Räumlichkeiten frei wurden, konnte 1945 hier ein Notkrankenhaus für das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörte Vredener Krankenhaus eingerichtet werden. (Klinikum Westmünsterland, 2017)
Ab Mai 1946 wurden vertriebe Männer aus dem Osten im Kloster untergebracht und betreut. Die größte Zahl der Vertriebenen war im März 1949, sie betrug 36 Männer.
Die "Forschungsstelle für Allgemeine und Textile Marktwirtschaft" der Universität Münster, deren Leitung Alfred Müller-Armack seit dem Jahr 1940 innehat, zieht ins Kloster ein. Die Wehrmacht hatte das Institut in Münster, nach Bombenangriffen der Briten auf die Stadt, evakuiert.
Müller-Armack und elf Mitarbeiter kommen am 24. Juli 1943 im Herz-Jesu-Kloster unter.
1943
Nach den Kriegsjahren werden die Zeiten für das Haus ruhiger. Die Brüder konnten sich neu auf ihre Aufgaben besinnen. Das Haus wird nun als Altenheim für Männer genutzt.
Die Gemeinschaft erhält vom Bischof zu Münster eine neue Satzung und nennt sich seitdem Brüdergemeinschaft der Canisianer. Kurze Zeit später wird das Noviziat und das Generalat der Brüdergemeinschaft nach Münster in das Canisiushaus verlegt.
1951
1964/1965
Während der Errichtung eines Anbaus in den Jahren 1964-1965, der für eine Erweiterung des Altenheims vorgesehen war, tritt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe an die Brüdergemeinschaft mit der Bitte heran, in der Behindertenfürsorge tätig zu werden und „Haus Hall“ in Gescher zu entlasten.
Nach einer weiteren Erweiterung wird das Kloster umgewandelt zum Wohn- und Pflegeheim für Menschen mit Behinderung mit 95 Plätzen. Es entstand der Name „Haus Früchting“. Die ersten Bewohner kamen alle aus Haus Hall und waren im Alter von 20 – 30 Jahren.
Damit führt die Brüdergemeinschaft der Canisianer erstmals in ihrer gut 100jährigen Geschichte eine Einrichtung der Behindertenhilfe als verantwortlicher Träger. Die Arbeit konzentriert sich ganz auf die Begleitung, Betreuung und Pflege von erwachsenen und geistig behinderten Menschen.
Die Brüdergemeinschaft hat sich dieser Verantwortung gestellt und gemeinsam mit den schon im Haus lebenden Clemensschwestern den durch die Aufnahme von Behinderten begründeten Entwicklungsprozess aufgegriffen und gestaltet.
Die ursprünglich klösterliche Abgeschiedenheit wird aufgegeben, um sich im Interesse der Heimbewohner nach außen zu öffnen. MitarbeiterInnen, die nicht den Ordensgemeinschaften angehören, werden eingestellt, und Kontakte zu Vredener Verbänden, besonders zur Vredener Kolpingsfamilie, werden aufgebaut.
1966/1967
1980
Einweihung eines neuen Wohnkomplexes für zwei Wohngruppen mit jeweils 15 Plätzen. Die Gesamtzahl bleibt erhalten.
Die Brüdergemeinschaft gibt die Leitung der Behinderteneinrichtung an ein Leitungsteam ab. Dies besteht aus Heimleitung, Verwaltungsleitung und Werkstattleitung.
In der Folge kommt es auch zu einer baulichen Trennung von Haus Früchting und dem Herz-Jesu-Kloster.
1987
1989
Haus Früchting passt sich inhaltlich und baulich den sich im Laufe der Jahre veränderten Anforderungen in der Behindertenhilfe an. So können seit dem Jahr 1989 Frauen in die Werkstatt für Behinderte und das Heim aufgenommen werden, während zuvor nur Männer Aufnahme gefunden haben.
Aus dem ursprünglichen Beschäftigungsangebot in der Landwirtschaft auf dem ehemaligen Hof Früchting haben sich die Werkstätten entwickelt. 1989 erfolgte durch die Bundesanstalt für Arbeit die Anerkennung als Werkstatt für behinderte Menschen.
Eine „ausgelagerte Wohngruppe“ mit 9 Plätzen, ca. 1 km vom Haupthaus entfernt, wurde bezogen.
Mit der Planung der neuen Wohn- und Verwaltungs-gebäude hat der Träger die Architektengemeinschaft
Prof. Baumewerd/Hülsmann beauftragt. Der Planungs-auftrag für die Gebäude der Werkstatt für behinderte Menschen erhält die Architektengemeinschaft Bartel/Schröder aus Münster/Wettringen. Die Aufträge werden nach einem Architektenwettbewerb vergeben.
1990
1991
Eine neue Wohngruppe mit 9 Plätzen wird in Vreden errichtet.
Fertigstellung eines neuen Wohnhauses mit 32 Plätzen für zwei Gruppen aus dem „Altbau“. Die zwei Gruppen teilen sich in jeweils 8er Einheiten auf.
1994
1994/1995
Die neue Werkstatt mit 120 Arbeitsplätzen wird geschaffen.
Eine Wohngruppe, mit Bewohnern aus dem Stammhaus, bezieht ein Wohnhaus in Vreden
Wohnhauskomplex mit Verwaltungsgebäude, Wohngruppe (16 Plätze) und angrenzender Cafeteria, Verteilerküche und Mensa am Standort Ellewick wird bezogen.
1995
1996/1997
Grundlegende Renovierung des Klostergebäudes von 1929 mit dem Ziel, 24 Wohn- und Pflegeplätze für Ordensschwestern (Clemensschwestern) und Ordensbrüder der Canisianer zu schaffen.
Das Herz-Jesu-Kloster wird nur noch von der Brüdergemeinschaft und den Ordensschwestern bewohnt.
Abriss des alten Wohnheimkomplexes.
1997
1999
Errichtung der Petrus-Canisius-Kapelle, die sich ellipsenförmig an das Klostergebäude anschließt. Sie dient der Einrichtung Haus Früchting, sowie allen Besuchern als Gottesdienstort.
Erweiterung der WfbM um weitere Arbeits- und Sozialräume und der Kalthalle.
2000
2004
Das Herz-Jesu-Kloster, Unterkunft der Canisianerbrüder und Clemensschwestern kann auf das 75-jährige Bestehen zurückblicken. Zu diesem Zeitpunkt leben hier elf Canisianerbrüder und fünf Clemensschwestern.
Die Brüdergemeinschaft der Canisianer e.V. gründet am 01.01.2005 die Stiftung Petrus Canisius und überträgt den Betrieb und die Trägerschaft des Hauses Früchting auf diese Stiftung.
Nun räumlich getrennt bestehen am zentralen Standort in Vreden - Ellewick zwei Organisationen mit je eigenem Auftrag, aber in enger Nachbarschaft und Verbundenheit: das Herz-Jesu-Kloster, in dem Ordensbrüder und -schwestern leben, und die Einrichtung Haus Früchting als Ort zum Leben für Menschen mit Behinderungen.
Die Stiftung Petrus Canisius ist mit dem Haus Früchting dem Deutschen Caritasverband in Freiburg angeschlossen und Mitglied im Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. (CBP)
Sie übergibt der Einrichtung mit der Übernahme der Trägerschaft das Leitbild mit dem Kernsatz: „leben miteinander.“
2005
2005
Errichtung und Bezug einer Außenwohngruppe mit 10 Plätzen im Ahauser Ortsteil Alstätte
Zwei Wohngruppen im zentralen Bereich von Haus Früchting widmen sich nun besonders der Unterstützung und Betreuung von Menschen mit Behinderungen, die einen besonders hohen heilpädagogischen Unterstützungsbedarf benötigen.
2007
2008
Umwandlung des Kotten in Appartements für Klienten des Ambulant Betreuten Wohnens
Neubau und Bezug der Wohnstätte Am Marienturm in Vreden. 24 Plätze in 3 Wohngruppen; Tagesstruktur für Senioren Aufgabe der „in die Jahre gekommenen Außenwohngruppen“ in Vreden. Umzug der Bewohner
2016
2017
Im Zuge des Integrations- und Inklusionsauftrages der Werkstatt von Haus Früchting wird 2017 ein neues Werkstattgebäude im Zentrumsbereich der Stadt errichtet. Der Werkstattladen „floral und kreativ“ und das CafePLUS ergänzen das Angebot in der Stadt Vreden.
Im August trifft die Nachricht von Münster ein, dass die Canisianer-Gemeinschaft das Herz-Jesu-Kloster Ende März 2018 schließen will. Der Grund für die Schließung ist die personelle Situation. Acht Canisianer und fünf Clemensschwestern leben zu diesem Zeitpunkt im Kloster. Viele von ihnen sind über 75 Jahre alt und z. T. pflege-bedürftig.
Die Brüder der Brüdergemeinschaft der Canisianer und die Clemensschwestern verlassen Ende Januar das Kloster und ziehen in neue Konvente ihrer Gemeinschaften in Münster, Dülmen, Anholt. Ein kleiner Konvent von Brüdern lebt weiter in Vreden.
Fast 90 Jahre nach der Grundsteinlegung des Herz-Jesu-Klosters in Ellewick wird das Kloster im Januar 2018 geschlossen.
2018
2022
Die Stiftung Petrus Canisius beschließt eine Änderung in der Leitungsstruktur.
Anstelle der drei Leitungen Verwaltung, Wohnen und Werkstatt gibt es nun einen Geschäftsführer. Dieser wird unterstützt durch zwei Wohnbereichsleitungen und zwei Abteilungsleitungen der Werkstatt.
Haus Früchting bietet aktuell 105 erwachsenen Menschen mit Behinderungen eine Heimat und ein Zuhause. Etwa 40 Menschen werden im Rahmen des Ambulant betreuten Wohnens stundenweise in ihrer eigenen Häuslichkeit betreut.
In der Werkstatt sind 140 Menschen mit einer Behinderung beschäftigt. Sie alle werden gemeinsam von 225 Mitarbeitenden gepflegt und betreut.
Nach umfangreichen Umbauarbeiten des Herz-Jesu-Klosters konnte im April der Freizeitbereich und die Tagessstruktur für Senioren in die neuen Räumlichkeiten des alten Klosters umziehen.
Weitere Ideen zur Nutzung des alten Klosters werden aktuell geprüft.